Von Schaufensterpuppen in Kluft und Kloschildern mit Hut: Ein Besuch in Deutschlands einzigem Herbergsmuseum in Blankenburg
Wer im Blankenburger Herbergsmuseum nachfragt, ob der Mann, der hier die Führungen macht, wohl auch selbst auf Tippelei war, der bekommt eine lustige Antwort: „Ich war ein paar Jahre lang Zigaretten holen“, sagt er. Der Rest bleibt rätselhaft.
Es ist ein gut verstecktes Kleinod, dieses Museum in einem verwinkelten Fachwerkhaus von 1684, und die wenigsten Besucher dürften hier wohl einfach zufällig über die knarzenden Dielen stolpern. Wer hier herkommt, will etwas über die Tradition der Wanderschaft erfahren. Seit dem Mittelalter folgen deutsche Handwerker der Idee der Walz, gehen für mindestens drei Jahre und einen Tag auf Reisen. Und doch muss man die Orte in Deutschland suchen, an denen man mehr über die Geschichte dieser geheimnisvollen Welt lernen kann. Es finden sich nicht allzu viele historische Aufzeichnungen in den Archiven. Deshalb lohnt sich der Weg hierher, ein kurviges Sträßlein führt nach Blankenburg.
In dem kleinen Museum am Harzrand ist alles „durchgewalzt“ – angefangen bei den Toilettentüren. Die ziert ein Wandersmann und eine Gesellin mit Hut, Schlaghose und Stenz. So heißt der Wanderstab der Gesellen, ein in sich gedrehter Holzstock, um den sich eine Geißblattpflanze geschlungen hat (Unter Gesellen heißt es: „Einen Stenz sucht man nicht. Der Stenz findet dich.“)
Viele dieser kleinen Anekdoten kann man lernen, wenn man durch die historische Herberge stromert. Schon Zimmermann Wilhelm Pieck – später der erste und einzige Präsident der DDR – stieg hier zu seiner Wanderzeit ab (Verrückt genug, der Gedanke: Ein Staat, der sich ummauern und umzäunen sollte, wurde geführt von einem Mann, der das Reiseleben und das Fernweh kannte). Neben einer nostalgischen Piek-Ecke gibt es im Herbergsmuseum aber noch weit mehr zu sehen. Der Nachlass zweier Nordharzer Wandergesellen zeigt Reiserouten, Wanderbücher und das spärliche Gepäck der Reisenden. Wie auf einem Wäscheständer hängen hier auch „Charlottenburger“, die bunten Tücher, mit denen Wandergesellen ihr Gepäck verschnüren (Übrigens, fragen Sie vor Ort bitte unbedingt nach, warum Charlottenburger Charlottenburger heißen! Die ebenfalls lustige Antwort hat mit müffelnden Rucksäcken aus Pferdefell zu tun..)
Finden Sie den Fehler? Vorne links ein rechtschaffender Fremder mit schwarzem Schlips, rechts ein fremder Freiheitsbruder mit rotem Schlips, in der Mitte ein blaubeschlipster Rolandsbruder und im Hintergrund eine Freireisende Wandergesellin. Dazwischen: Ein störendes Element.
Im Obergeschoss schließlich hat eine Truppe Schaufensterpuppen im Sturm mein Herz erobert. Weiterlesen →