Warum es mir schwer fällt, Antworten auf Fragen nach der Zukunft des Lokaljournalismus zu geben. Warum ich gar nicht müde werde von der Walz. Und wie ich nach einem wilden Ritt durch die Republik im Osten landete. Herrjemineee.
Kürzlich war ich zu Gast an der Kölner Journalistenschule. Der Leiter (der übrigens vor Jahren auch mal eine Art Journalistenwalz machen wollte, sich dann aber nicht traute) hatte mich eingeladen, um von der Wortwalz zu erzählen. Die Studierenden dort müssen nämlich als erstes ihrer Pflichtpraktika eine Lokalredaktion besuchen. Offenbar waren von dieser Idee nicht alle der Nachwuchsjournalisten begeistert. Man munkelte den Namen der Märkischen Allgemeinen in Königs Wusterhausen und kicherte. Und so fragte man mich: Ob es in den Lokalredaktionen überhaupt junge Leute gebe? Ob ich jetzt dauerhaft auf dem Land als Lokalreporterin arbeiten wolle? Und einer fragte: „Ist das nicht einfach bloß Selbstdarstellung, was du machst?“
„Ich habe überlegt, das Thema mal bei unserem Studiengangsleiter anzusprechen. Vielleicht gibt es ja einen Weg, die Walz irgendwie in den Studiengang zu integrieren, z.B. als optionales, gefördertes Praktikum etc., oder als Möglichkeit, die Pflichtpraktika teilweise zu absolvieren. Denn Lokaljournalismus spielt bei uns leider kaum eine Rolle, auch wenn viele Dozenten lokaljournalistisch arbeiten und das Lokale bei uns immer wieder als gutes Arbeitsfeld mit Zukunft beschrieben wurde, insbesondere der Hyperlokal-Journalismus.“
„Wenn Sie wissen wollen, was Journalisten denken, fühlen, machen, die nicht wissen, ob sie in einigen wenigen Monaten noch als Redakteure bei ihrer Lokalzeitung arbeiten können, ob sie dann noch ihre Familien ernähren können oder ob sie aufgrund ihres Alters wieder einen festen Job bekommen, dann schauen sie doch einfach mal beim Darmstädter Echo vorbei. In den nächsten Monaten erhalten dort 160 von ca 300 Mitarbeitern ihre Kündigung. Noch weiß keiner, wen es trifft. Sicher sind dabei zuerst auch einige junge Redakteure, die noch keine Familie haben. Auch die werden es dann auf dem heiklen Zeitungs-Arbeitsmarkt schwer haben wieder Arbeit zu finden. Falls Sie also ihr Projekt noch nicht beendet haben, fahren Sie mal nach Darmstadt. Es lohnt sich.“
Stattdessen habe ich die Republik durchquert. Bin mit zehn verschiedenen Lifts von Köln nach Erfurt getrampt. Jeder von denen hätte hier seine eigenen Geschichte verdient: Der gelernte Koch, der jetzt Kurierdienste fährt und auf der Raststätte seinen Granatapfel-Ingwersalat auf der Stoßstange hockend mampft. Der resignierte Richter am Sozialgericht, der sagt, Deutschland sei das einzige Land, das ein Gesetz (Hartz IV) nach einem verurteilten Verbrecher benannt habe. Oder der Erfurter Drill-Instructor, der nach seiner Bundeswehrzeit nun privat Fitness-Freaks über Zäune und Gummireifen jagt, weil diese Menschen sich angeblich danach sehnen sich zu beweisen. Sich zu beweisen, dass sie am Leben sind. Alles irre Begegnungen.
Damit ich diese Begegnungen nun ein wenig in meinem Kopf sortieren kann, freue ich mich, dass ich nun in Weimar gelandet bin. Ich bin Königin eines leeren Reiches. Ein stadtbekannter Sehrgutmensch Hotelier hat mir eine leerstehende 5-Zimmer-Luxuswohnung überlassen. Es gibt verrückterweise ein Video davon. Spannend, dass ich ausgerechnet hier der Frage nachspüren darf, wie man in Weimar wohnen will. Aber auch da muss ich erstmal wieder alle enttäuschen: Ich habe noch keine Antworten gefunden.
* Klar ist das Selbstdarstellung! Facebook und Google Analytics sagen mir ja aber auch regelmäßig, dass meine Blogbeiträge drei Mal so oft gelesen werden, wenn ich mein Gesicht dafür in die Kamera halte. Darauf habe ich gar nicht immer Lust. Aber das gehört wohl zum Beruf dazu. Komisch, wieder was gelernt.