Wie ich von der Feuerwehr mit Blaulicht nach Oberweier gebracht wurde und versuchte im heiß umkämpften Lahrer Zeitungsmarkt zu bestehen. Außerdem die Highlights der letzten Woche: Die kälteste Nacht draußen, drei Tage auf dem Albstieg und schließlich eine Waldbegehung im Schwarzwald mit dem Gemeinderat, die in einem Jobangebot vom Bürgermeister gipfelte
Eine ganze Nacht lang habe ich durchgeflucht. Und gebibbert. Nachdem ich Aalen verlassen hatte, wollte ich mich auf den Albstieg machen. Einen Wanderweg über die Schwäbische Alb. Als erstes Übernachtungsziel hatte ich mir das Aalbäumle ausgeguckt, einen Aussichtsturm mit Blick über die Stadt, in der es mir so gut gefallen hatte. Ich staunte über den Sonnenuntergang und freute mich auf den Sonnenaufgang – nur vergaß ich, dass der rundum vergitterte Panoramapunkt komplett dem Wind ausgesetzt ist.
Nachts wachte ich auf, weil jemand an meinem Schlafsack rüttelte. Der Wind. Wieder wachte ich auf, weil jemand heulte. Der Wind. Und wieder wachte ich auf, weil ich dachte, die Baumkronen würden über mir zusammenschlagen. Der Wind. Völlig durchgefroren kroch ich morgens aus meinem Schlafsack und registrierte, dass ich zunächst die bestimmt 200 Treppenstufen zur Morgentoilette hinunterrennen musste. Als ich schnaufend in die Büsche sprang, starrte ich direkt einem Mountainbikefahrer in Gesicht, der gerade den Berg erklommen hatte. Tage können so schön beginnen…
… und so schön enden. Ich lief und lief durch den herbstlichen Wald. Ich traf niemanden. Außer Joe, den schwäbsichen Buddha. Einen tiefenentspannten Dauercamper, der zum Mittagstisch den Campingplatz im Nachbardorf besuchte. Er begrüßte mich mit dem schönen Satz: „Ich habe heute erst erfahren, dass Mitwoch ist“. Wir tranken ein Radler. Und zur Weiterreise schenkte mir dir gelernte Klempner und Rumtreiber die Worte: „Reisen ist was Schönes. Man muss nur anfangen anders zu denken.“ Jo.
So wanderte ich weiter durch Landschaften, die manchmal aussahen wie der Desktophintergrund bei Windows. Grüne Wiese, blauer Himmel. Wie so oft wenn ich alleine unterwegs bin, fing ich an meinen Rucksack zum Hauptdarsteller meiner Reisefotografie zu machen. Die Ruine Rosenstein nahm ich unterwegs mit und zugleich Reißaus vor den Jakobswegpilgern mit Muschelketten um den Hals. In Heubach kam ich spät beim Rathaus an, alles war schon zu. Da fragte ich Hausmeister Manne, ob er mir helfen könne. Der Mann hatte einen Schlüsselbund für alle öffentlichen Einrichtungen des Ortes in der Hand und meinte, ich könne mir eine aussuchen. Ich entschied mich für die Stadthalle, in der der Heubacher Bürgermeister am Samstag heiraten wolllte. Manne ließ mich rein und ich freute mich über die regengeschützte Unterkunft. In der einstigen Turnhalle gab es sogar Duschen und so übernachtete ich auf einer dieser dunkelgrünen Krankenliegen, die in jedem Sportlehrerzimmer stehen. Wer kennt die nicht?
Nach ein paar Wandertagen beschloss ich in Richtung Ettlingen zu trampen, wo ich eigentlich eine meiner Crowdfunding-Unterstützerinnen treffen sollte. Zwischendurch fiel mir auf, dass ich meine Autobahnkarte verschludert hatte und keine Ahnung hatte, wo genau ich mich befand. Dafür lachte mich ein großzügiger Autofahrer sehr aus und fuhr mich direkt an die A8. Dort widerum suchte ich ungewöhnlich lange nach einer neuen Reisegelegenheit. Rückblickend weiß ich jetzt, warum mir so viele Autofahrer davor absagen mussten – ich sollte erst noch auf das nächste Abentuer stoßen.
Plötzlich kam ein Dutzend Männer in Feuerwehruniform auf mich zu. Ich sofort hin, Platz frei? Ja! Und fragt nicht wo: Im nigelnagelneuen Löschfahrzeug LF10-Allrad (Jetzt auch mit Schaumtank). Die Männer glühten vor Stolz, als sie mir ihren glühend roten 12-Tonnen-Neuwagen zeigten, den sie gerade beim Hersteller abgeholt hatte. Alle waren seit 4 Uhr morgens unterwegs, um das neue Feuerwehrfahrzeug nach Oberweier zu bringen. Ein 2000 Seelendorf bei Friesenheim bei Lahr Richtung Freiburg im Schwarzwald. Das waren die Fakten, die ich erzählt bekam und ich beschloss spontan mitzufahren.
Blaulicht, Sirene, ja sogar: Druckluftfanfare. So rückten wir in den Ort ein. Riesengaudi. An der Tankstelle steht prompt der Dorfbekannte Lokalreporter Wolfgang Schätzle (Er geht ans Telefon und sagt: „…Schätzle?“) Riesenüberraschung. Hier gibt es gleich drei Lokalzeitungen. Ich wurde beim Feuerwehr-Gruppenführer verstaut (Er hat ein Baumhaus, in dem ich schließlich übernachtetet) und am nächsten Morgen zum Lahrer Anzeiger gebracht.
Jetzt kommt der Lokaljournalistische Teil. Der war hier echt gruselig. Erst musste ich den Redaktionsleiter nahezu überreden, mich bitte mitarbeiten zu lassen. Er sah in mir wohl eher Kosten als Nutzen. Dann sollte es plötzlich die große Lokalgeschichte über meine Feuerwehrfahrt sein, den man hier nachlesen kann. Inklusive Tippfehler, denn just als ich anfangen sollte zu schreiben, fiel das Internet aus. Redaktionskatastrophe, die damit endete, dass Texte vom iPhone vorgelesen und ins Layout abgetippt werden mussten. Vielleicht habe ich einen schlechten Tag erwischt, aber ich habe das Gefühl, dass hier „im Lahrsten Sinne des Wortes“, wie es auf einem gruseligen Werbeplakat für die Zeitung heißt, ein bisschen ulkig zu geht. Eine Kollegin erzählt mir, sie wisse nicht, wie man ein @-Zeichen schreibe. Also mit der Hand. Deshalb mache sie immer einen Kreis mit einem Kreis in der Mitte. Insgesamt schien der erst vor rund 10 Jahren gegründete Lahrer Anzeiger die Konkurrez zur Badischen Zeitng und zur Lahrer Zeitung nicht besonders sportlich zu nehmen. Auch das ist ein Grund, warum es dieses Mal keinen Meisterschnack gibt.
Fürs Wochenende hatte ich da aber schon versprochen zwei Lokaltermine zu übernehmen. Und die Termine waren toll, klassischer Lokaljournalismus. Der Revierförster hatte den Lahrer Gemeinderat zur Waldbegehung eingeladen. Thema: Der Baum des Jahres 2014, die Traubeneiche. Was jetzt albern klingt, war wirklich ein spannender Ausflug, bei dem ich sogar endlich mal erklärt bekam, was die neonfarbenen Markierungen der Baumstämme bedeuten. Unter den Kommunalpolitikern wurde ich herumgereicht wie ein bunter Hund. Und als der Oberbürgermeister mir beim Betrachten der Buchenverjüngung vorschlug, ich könne doch auch einen Wortwalz-Zwischenstopp im Pressestab des Rathauses machen, gefiel es mir zum ersten Mal richtig gut im Schwarzwald. Ich sagte dankend ab. Witzig war auch, dass ich und die anderen zwei Loaklreporter der Konkurrenzzeitungen uns ständig gegenseitig ins Bild liefen. Später besuchte ich noch einen Musikflohmarkt. Dort fand ich direkt einen sympahtischen E-Gitarre spielenden Immobilienmakler, der versprach mich zu meinem nächsten Reiseziel zu bringen. Einer Gesellenhochburg schlechthin, wo könnte das wohl sein…?
Als ich Oberweier und Lahr nach drei Tagen wieder verlasse, rufen Leute auf der Straße meinen Namen. Der Buschfunk in den Dörfern funktioniert hier bestens. Besonders die Freiwillige Feuerwehr habe ich ins Herz geschlossen. Als ich schon fast aus dem Landkreis gewandert bin, bringt mein Gastgeber, der Feuerwehrmann, mir noch meine Regenjacke hinterher, die ich vergessen habe. Ich bin gerührt. Mein Blick über die Weinreben reicht von hier bis nach Frankreich, auf die Vogesen.
Wie weit man kommen kann, wenn man kein Ziel hat. Erstaunlich.