Meisterschnack #1 mit Rudi Gegger

In der Rubrik Meisterschnack veröffentliche meine Gespräche mit den Chefs der Lokalredaktionen, in denen ich gerade arbeite. Ich stelle allen die gleichen zehn Fragen und bin gespannt, welche Geheimnisse der Zunft sie mir verraten. Dieses Mal: Wie es dazu kam, dass eine Leserin einen vollgekotzten Briefkasten vorbeibrachte und warum Gockel Maxl sterben musste
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Rudi Gegger, stellvertretender Lokalchef des Pfaffenhofener Kuriers

1. Warum bist du Lokaljournalist geworden?
Das hat sich spontan ergeben. Ich habe mein Leben lang schon immer gern geschrieben. Ich habe als freier Mitarbeiter beim Pfaffenhofener Kurier angefangen und habe mich ganz normal hochgearbeitet. Ich wurde Gemeinderats-Berichterstatter, dann Urlaubsvertretung, dann Volontär und schließlich Redakteur. Da bin ich hängen geblieben, seit mittlerweile 28 Jahren und immer noch mit viel Spaß bei der Sache.

2. Wenn Aliens auf der Erde landen würden, wie würdest du ihnen deine Arbeit beschreiben?
Über das Leben in meiner Umgebung zu schreiben. Sicherlich zu einem Teil auch Chronistenpflicht erledigen und ganz viel versuchen etwas Negatives in Positives zu verändern und Dinge anzustoßen. Du kannst als Lokaljournalist wirklich Dinge verändern, von den Kita-Plätzen bis zur Schulsanierung. Das macht mir am meisten Spaß.

3. Was macht deine Lokalredaktion besonders?
Vor einem halben Jahr hatten wir Unternehmensberater im Haus. Zuerst dachten wir: Na, toll! Wir hatten automatisch Angst vor Controllern, die Stellen wegrationalisieren wollen. Das war aber nicht der Fall. Es wurde erstmal untersucht, wo sind unsere Stärken und Schwächen. Wir haben festgestellt, dass wir überraschenderweise ein gewisses Defizit in der Berichterstattung bei Kernthemen wie Soziales und Arbeit hatten. Wir waren total überrascht und dachten: Wir schreiben doch viel über Schulen, Pendler und Familien. Aber man hat dann aufgrund von Zählungen festgestellt, dass das nicht stimmt. Da bist du selber betriebsblind, da hast du den Blick von außen nicht. Jetzt machen wir viel mehr Serien zu solchen Themen, ganz bewusst zu Senioren, Neubürgern und Pendlern. Wirklich menschliche Geschichten.

4. Wie sieht der Pfaffenhofener Kurier in 10 Jahren aus?
Ich bin überzeugt, dass es ihn noch so geben wird wie jetzt. Ich will die Zeitung gedruckt in der Hand haben. Wir werden mit Sicherheit diesen Spagat mit dem Onlineauftritt meistern müssen. Es wird nach wie vor die Printredaktion geben, aber wir alle werden mehr in die Onlinebereiche eingebunden sein. Wir werden mehr zuliefern müssen.
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Pfaffenhofener Kurier – online nur mit Bezahlschranke


5. Was kann ich bei euch lernen?
Das Handwerkszeug eines guten Journalisten, das lernt man nirgendwo so gut wie in einer Lokalredaktion. Ein Journalist kann Pulitzerpreis-verdächtig schreiben, aber wenn er nicht in der Lage ist aus dem Menschen etwas heraus zu kitzeln, dann wird es keine gute Reportage. Der Kontakt zu den Menschen, das kann man im Lokalen lernen. Nach ein paar Sekunden im Gespräch muss ich wissen: Wie rede ich mit diesem Menschen? Total jovial? Eher reservierter? Muss ich den unter Druck setzen? oder ist das ein Servus-griaß-di-Typ?

6. An welche Geschichte erinnerst du dich noch heute?
An eine meiner ersten Geschichten über den Gockel Maxl.Hier geht es ja oft um Geschichten, in denen die Kleinen Probleme mit den Großen kriegen. Maxl war ein glücklicher Gockel, der lauter Hennen beglücken durfte. Er hat das gemacht, was er so tut in der Früh auf dem Dorf: Er hat gekräht. Dann zog ein Arzt in das Dorf, der hat sich mit dem Bauern angelegt. Die ganze Geschichte ist eskaliert, Anwaltsbriefe hin und her und am Ende hat der Gockl Maxl seinen Kpf verloren. Ich habe dann ein Foto gemacht, wie er schon in der Tiefkühltruhe war. Die Bäuerin hat mir da den gefrorenen Gockl Maxl entgegengestreckt, der einen Kopf kürzer gemacht worden war. War natürlich eine Geschichte! Später hat der Arzt uns auch noch mit dem Anwalt gedroht, aber genau das sind die Lokalgeschichten, wie der kleine Mann zu kämpfen hat.

7. Wie stellst du dir deine Leser vor?

Meine Kunden sind ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Eben, weil wir keine Fachzeitschrift und nicht der Spiegel sind. Da gibt es bei uns einen geflügelten Ausdruck: Du musst so schreiben, dass die Huber-Oma aus Jetzendorf dich versteht. Aber eben auch der Arzt aus dem Nachbardorf soll sich angesprochen fühlen. Lokalzeitung muss das alles abbilden.

8. Auf der Walz lernen Gesellen die Geheimrezepte ihrer Meister. Welches kannst du mir verraten?
Mit offenen Augen durchs Leben gehen und vor nichts Angst haben. Das Schlimmste ist das Gefühl: Diese Geschichte gehört geschrieben, aber der Journalist traut sicht nicht sie zu veröffentlichen. Als Lokaljournalist ist es natürlich so, du lebst dort, du kennst die Menschen, über die du schreibst. Du musst in der Lage sein, den Bügermeister in die Pfanne zu hauen, weil er Mist gebaut hat und den am nächsten Tag wieder in der Sitzung zu treffen. Das ist mir schon passiert, dass ich da keines Blickes gewürdigt wurde. Da muss man drüber stehen. Du musst dich trauen. Wenn es nötig ist, dann mach’s.

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Rudis best of Journalistenlügen

9. Wie kommuniziert ihr mit den Lesern?
Die Leser-Blatt-Bindung ist bei uns wirklich so, dass wir eine offene Redaktion haben. Bei uns kann jeder reinkommen. Da gab’s eine Geschichte: Wir hatten mal einen Rockerclub in Pfaffenhofen, also ganz brave Motorradfahrer, die ab und zu im Vereinsheim gefeiert haben. Über die habe ich als junger Lokaljournalist eine Geschichte geschrieben und war als Motorradfahrer auch ziemlich begeistert von denen. Hab die also toll dargestellt. Am nächsten Tag kam dann eine Lesern in die Redaktion, die hatte einen Zeitungsbriefkasten in der Hand. Den knallte sie mir auf den Tisch und sagte: „Da haben’s Ihre tollen Rocker!“ Die Jungs hatten also am Wochenende davor wieder eine Fete gefeiert und einer der Rocker hatte sein Abendessen in diesen Zeitungskasten entleert. Und die Leserin brachte mir dann das vollgekotzte Ding vorbei.

10. Was tust du, um das Aussterben unserer Zunft zu verhindern?
Ich versuche meine Arbeit so gut wie möglich zu machen. Ich versuche die Dinge, die mir wichtig sind, an den Nachwuchs weiter zu geben. Wir legen Wert darauf, dass bei uns jeder Prakitkant was lernen kann. Wenn du von dem überzeugt bist, was du machst, musst du das so weitergeben. Auch wenn die Jungen dann sagen: Jetzt kommen wieder die Geschichten vom Krieg.